Ortenaukreis begrüßt ersten Babylotsen

Nach 14 Jahren in der Früh- und Neugeborenenpflege stellte Manuel Fischer für sich fest, dass es Zeit für eine berufliche Veränderung war. Durch Zufall erfuhr der 40-jährige Gesundheits- und Kinderkrankenpfleger von dem Programm Babylotse und sah direkt eine spannende neue Aufgabe für sich. Warum er als erster männlicher Babylotse immer noch als Exot wahrgenommen wird, was für Vorteile er als Mann in das Programm reinbringen kann und wie die Väter auf ihn reagieren, davon berichtet er in unserem Interview.

Wie kamen Sie dazu, sich beim Programm Babylotse zu bewerben?
Ich habe nach meiner Ausbildung zum Gesundheits- und Kinderkrankenpfleger mehr als 14 Jahre in der Früh- und Neugeborenenpflege gearbeitet. Sieben Jahre davon in leitender Funktion. Neben der Pflege kranker Neugeborener und Frühgeborener habe ich mich auch über viele Jahre hinweg schwerpunktmäßig um die Anleitung und Beratung frisch gewordener Eltern im Rahmen einer Elternschule gekümmert. Im Januar 2022 entschied ich mich dann für eine berufliche Neuorientierung in beratender Funktion. Hierbei war es mir besonders wichtig, meine langjährigen beruflichen Erfahrungen in der Neugeborenenpflege mit einer Beratungstätigkeit im präventiven Bereich zu kombinieren. Dabei bin ich auf das Projekt Babylotse gestoßen und freue mich seit Januar im Ortenaukreis den frisch gewordenen Eltern an den Geburtskliniken in Lahr und Achern als Babylotse einen guten Start in das „neue“ Familienleben zu ermöglichen. 

Was reizt Sie an der Tätigkeit als Babylotse?
An meiner Tätigkeit als Babylotse reizt mich natürlich sowohl die Arbeit mit den frisch gewordenen Eltern und ihren Neugeborenen direkt im Kliniksetting als auch die präventive Arbeit mit Schwangeren. Ich sehe in diesem Aufgabengebiet die optimale Gelegenheit meine umfangreichen beruflichen Erfahrungen einzubringen und diese mit einer beratenden Tätigkeit zu kombinieren. Durch die Vielfältigkeit der Familien gestaltet sich jedes Gespräch individuell. Gerade das macht meine Arbeit so abwechslungsreich und interessant. Die Zeit rund um Schwangerschaft und Geburt bringt oftmals viele Fragen mit sich. Da ist es schön, wenn ich die Familien mit meinem Wissen begleiten und beraten darf. 

Es wird oft unterstellt, dass Männer sich nicht so gut in Frauen einfühlen können, da sie selber nicht schwanger werden können. Es gibt bisher ja auch kaum männliche Hebammen. Wie können Sie dem Vorurteil begegnen?
Für mich ist ganz klar: Die Schwangerschaft ist ein einzigartiges Erleben, welches nur im eigenen Körper nachempfunden werden kann. Nichtsdestotrotz würde ich von mir behaupten, dass ich eine feinfühlige und empathische Persönlichkeit bin und das Empfinden von vielen Frauen oftmals verstehen und nachvollziehen kann. Viele Frauen schätzen den Austausch mit mir, auch aufgrund meiner hohen Fachexpertise und melden mir das zurück. 

Stoßen sie auf Grenzen oder Vorurteile als männlicher Babylotse? Sehen Sie Unterschiede in der Tätigkeit zu Ihren Kolleginnen? Können sich Schwangere Ihnen gegenüber genauso öffnen?
Ich erlebe die Frauen im Kontakt mit mir sehr offen und erlebe keine Unterschiede in meiner Tätigkeit im Vergleich zu derer meiner Kolleginnen. Es taucht ab und an die Frage auf, ob ich als Mann in diesem Bereich überhaupt arbeiten kann oder darf. Für einige ist es einfach noch etwas Außergewöhnliches. Ich habe manchmal den Eindruck, dass das Klischee der Frauen- und Männerberufe noch weit verbreitet ist. In Italien und Frankreich ist beispielsweise der Einsatz männlicher Hebammen schon weit verbreitet. 

Wie verhält sich die Arbeit mit den Vätern? 
In meiner Arbeit als Babylotse ist es mir ein ganz besonderes Anliegen, auch die Väter in den Beratungskontext miteinzubeziehen. Schwangerschaft und Geburt sind ganz besondere Ereignisse im Leben jeder Familie. Väter kommen dabei meines Erachtens oftmals zu kurz. Umso wichtiger ist es mir, sie von Anfang an mit einzubeziehen. Im Idealfall treffe ich die Familien auf den Stationen in Familienzimmern an und komme dabei auch mit den Vätern ins Gespräch. Meine Erfahrungen haben mir gezeigt, dass viele Väter das Gespräch von „Mann zu Mann“ schätzen. Oftmals werde ich von Vätern direkt angesprochen oder kontaktiert. Gerade bei sensiblen Themen nutzen einige Väter den Austausch mit mir. Ein ganz besonderes Gespräch ist mir in Erinnerung geblieben. Ein Vater fragte mich nach der Geburt des ersten Kindes, wie er eigentlich erkennt, ob seine Frau möglicherweise in den nächsten Wochen an einer Wochenbettdepression leidet. Anhand dieses Beispiels wurde mir noch einmal ganz deutlich, wie wichtig es ist, von Anfang an die Väter miteinzubeziehen. 

Fehlt Ihnen der Austausch mit einem männlichen Kollegen?
Ich habe während meiner kompletten beruflichen Laufbahn ausschließlich in reinen Frauenteams gearbeitet. Ich bin es daher gewohnt und schätze den Austausch mit meinen Kolleginnen. Der Austausch mit männlichen Kollegen fehlt mir durchaus manchmal. Da ich auf den Stationen eng mit dem Pflegedienst und dem Ärztlichen Dienst zusammenarbeite, ergibt sich ab und an ein solcher Austausch. In den Fachstellen der Frühen Hilfen habe ich ebenfalls männliche Kollegen, auch wenn es nur wenige sind. Ich kann daher an dieser Stelle alle männlichen Bewerber nur ermutigen, mich in dieser wichtigen Arbeit als Babylotse zu unterstützen und zu verstärken.

Was hat Sie als männlicher Babylotse überrascht?
Überrascht hat mich tatsächlich, dass meine Arbeit als männlicher Babylotse von vielen als außergewöhnlich angesehen wird. Sicherlich ist es für mich durch meine langjährige Tätigkeit als „Exot“ in der Früh- und Neugeborenenpflege zu einer Selbstverständlichkeit geworden, dass Männer in diesem Bereich arbeiten. Es ist nichts Besonderes mehr für mich. Für viele jedoch schon und ich kann es nachvollziehen. Die Akzeptanz mir gegenüber, ist trotz anfänglicher Skepsis aber groß. Das freut mich natürlich.

Wie sieht ein „typischer“ Alltag als Babylotse aus?
Als Babylotse bin ich direkt in den Geburtskliniken an den Standorten Lahr und Achern auf den Entbindungsstationen tätig. Ich besuche alle frisch gewordenen Eltern und alle Schwangeren direkt in den Patientenzimmern. Ich stelle dabei zunächst meine Person und meine Arbeit vor und biete ein freiwilliges Gespräch an. Ich höre wie es den frisch gewordenen Eltern oder auch den Schwangeren geht und kläre mögliche Fragen zu allen Themen rund um die Schwangerschaft und Geburt. Unabhängig möglicher Belastungsfaktoren, stelle ich allen Eltern und Schwangeren das Angebot der Frühen Hilfen vor und kläre gemeinsam mit den Eltern, ob und in welcher Form Unterstützungsbedarf besteht und stelle bei Bedarf einen einfachen Zugang zu den Angeboten her. Darüber hinaus biete ich allen Eltern bei Bedarf eine Beratung innerhalb des ersten Lebensjahres an. 

Was sind die häufigsten Fragen und Probleme der Familien, die Sie betreuen?
Es gibt ganz unterschiedliche Fragen. Häufig sorgen sich Eltern, wie sie den Alltag zu Hause bewältigen können. Gerade beim ersten Kind tauchen viele Unsicherheiten und Ängste auf. Aber auch wenn die Eltern schon ein oder mehrere Kinder haben kommen oftmals Fragen zu Unterstützungsangeboten, besonders für die Geschwisterkinder. Leider ist der Mangel an Hebammen und Kinderärzt*innen ein großes Problem. Viele Familien finden teilweise weder eine Hebamme für die Wochenbettbetreuung noch einen Kinderarzt und kontaktieren mich. Oftmals gelingt es mir, erfolgreich zu unterstützen. Fragen zum Antragswesen, wie beispielsweise Kinder- oder/und Elterngeld, werden mir ebenfalls häufig gestellt.
 

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