Babylotse in Hamburger Arztpraxen
Babylotse in Arztpraxen feiert 10-jähriges Jubiläum!
Das ist keine Selbstverständlichkeit. Denn für das bislang rein spendenbasierte Projekt, welches Ende 2011 als Forschungsprojekt begann, war über die Jahre nicht immer absehbar, ob und in welchem Umfang die Arbeit der Babylotsinnen in der Kooperation mit Arztpraxen weitergehen kann. Umso größer ist die Freude über den runden Geburtstag und die Gewissheit: Auch im kommenden Jahr wird es Babylotse in Arztpraxen geben.
In Kooperation mit niedergelassenen gynäkologischen und pädiatrischen Praxen werden Schwangere und Eltern von Kindern im ersten Lebensjahr von speziell geschulten medizinischen Fachangestellten und Babylotsinnen motiviert, frühzeitig Unterstützung in Anspruch zu nehmen.
Familien erfahren eine Ergänzung zum medizinischen Angebot, indem sie aus dem Gesundheitssystem heraus mit den Frühen Hilfen und anderen sozialen Sicherungssystemen in Kontakt gebracht werden. Sie werden in passende Unterstützungsangebote gelotst und erfahren diese Hilfe, bevor Überlastungen den Familienalltag und damit das gesunde und gewaltfreie Aufwachsen des Kindes beherrschen. Ein individuelles tragfähiges Netz wird geknüpft, in dem die jeweilige Familie auch in zukünftigen Krisenzeiten Unterstützung findet. Eltern zeigen bei späteren Schwierigkeiten eine erhöhte Bereitschaft, Unterstützung anzunehmen, wenn sie diese zuvor als hilfreich erleben durften. Eltern sind die größte Ressource für das Leben eines Kindes. Die Babylotsinnen und die von SeeYou geschulten medizinischen Fachangestellten begegnen den Eltern in der Überzeugung, dass diese gute Eltern sein wollen. Diese wertschätzende Grundhaltung ermöglicht es Schwangeren und Eltern sich zu öffnen und auch Themen anzusprechen, die mit Scham verbunden sind. Immer wiederkehrende Themenbereiche in den Gesprächen sind psychische und emotionale Belastungen der Eltern, soziale Isolation, finanzielle Schwierigkeiten, Schwierigkeiten bei Behördenangelegenheiten und rechtliche Fragen oder auch eine fehlende Hebammenbetreuung.
Insbesondere die Zusammenarbeit mit Eltern in der Zeit der Schwangerschaft zeigt sich als enorm gewinnbringend für die Familien. Eltern werden angeleitet und aktiviert, Behördenangelegenheiten in die Wege zu leiten und/oder zu klären. Das individuelle soziale Netz wird ausgiebig geklärt und gegebenenfalls – auch schon vor der Geburt des Kindes – als Unterstützung aktiviert. Eltern haben die Gelegenheit, sich als selbstwirksam zu erfahren und sind offen für weitere Beratungs- und Unterstützungsleistungen. Der Prozess des Lotsens zeigt sich im Kontext des ambulanten Settings im Vergleich zum stationären als Iänger andauernd, aber nicht notwendigerweise als zeitintensiver. Der Klärungsprozess ist geprägt von Phasen, in denen die Eltern selbst „die Dinge in die Hand nehmen“ und dabei soviel Unterstützung wie nötig, aber so wenig wie möglich erfahren.
Die medizinischen Fachangestellten der Kooperationspraxen sind für die Familien sowie für die Babylotsinnen wichtige vertraute Ansprechpartnerinnen, die im Laufe der Jahre zunehmend Wissen über die Frühen Hilfen aufgebaut haben und die Familien bei singulären Problemlagen eigenständig vernetzen.
In Hamburg erreichen wir mit dem Projekt Babylotse in Arztpraxen aktuell jährlich mehr als 4.000 Schwangere und Familien, die im Rahmen dieses Projekts einen Fragebogen zu ihrer psychosozialen Belastungssituation ausfüllen. Das ist schon eine nicht unerhebliche Zahl, aber bei einer Anzahl von 24.000 Geburten im Jahr noch lange nicht genug. Daran werden wir weiter arbeiten.
Tina Wilson
Projektleitung Babylotse in Arztpraxen